in der Abendsonne: was hält mich schon für immer hier?

ich sitze auf dem Balkon, die nackten Beine gegen den leichten Wind gestemmt, auf meinem Bauch liegt eine kühle Flasche Cola und durch den Baum auf der anderen Straßenseite blinzelt die Abendsonne in mein Gesicht. Ein wunderschöner Sommerabend, der durch die Musik in meinen Ohren noch schöner wird. Vor allem,  weil mir der Songtext direkt ins Herz geht und dort wie ein Blattschuss stecken bleibt:

Du hast eigentlich nicht gewartet auf mich 
Und warst ehrlich, vielleicht zu ehrlich für mich 
Und du schaust mich einfach nur an, doch du sagst nichts 
Du willst nur sehen, was ich kann 
Und ich wag mich zu nah an dich, zu nah an dich heran

Und bin noch wach 
Mit diesem schweren Gefühl 
Ich lauf die Straßen rauf 
Dein Atem tut mir immer noch so weh

Und weil ich nachts nicht mehr schlafen geh 
Schweigst du mich an 
Ich schweig zurück 
Du bist mein Eigenes Berlin
Ich bin eigentlich nicht so wütend auf dich 
Du machst das alles nicht mit Absicht 
Weil du eigentlich nie du selbst bist
Ich bin noch wach 
Mit diesem schweren Gefühl 
Ich lauf die Straßen rauf 
Dein Atem tut mir immer noch so weh

Und weil ich nachts nicht mehr schlafen geh 
Schweigst du mich an 
Ich schweig zurück 
Du bist mein Eigenes Berlin

 

Und weil ich nachts nicht mehr schlafen geh 
Schweigst du mich an 
Ich schweig zurück 
Du bist mein Eigenes, Eigenes Berlin
Vielleicht bleib ich nicht bei dir 
Was hält mich schon für immer hier? 
Und weil ich nachts nicht mehr schlafen geh 
Schweigst du mich an 
Ich schweig zurück 
Du bist mein Eigenes, Eigenes Berlin

Wer mich von Euch etwas genauer kennt, weiß, dass ich mit Yoko, Klaas und Sendungen, wie „Circus Halligalli“ überhaupt nichts anfangen kann. Aber die Band von Klaas Heufer-Umlauf schlägt alles in den Wind. Süffig-süß und mitten ins Herz. Was hält mich schon für immer hier?

Meine Musikempfehlung für den Sommer:
Gloria – „eigenes Berlin


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Irgendwann ist es Zeit, aus der Kurve zu fliegen

Bisher habe ich immer gedacht, dass ich ganz genau weiß, was ich im Leben erreichen möchte. Aber ich hatte auch immer schon Zukunftsängste.

Schon während meines Abiturs habe ich mir den Kopf darüber zermartert, wie es nach den drei Jahren Lernen und 13 Jahren Schule weitergehen soll. Ja klar, ich war Schlagzeuger in verschiedenen Bands – aber das war mehr Spaß, als alles Andere. Und ja, mir macht es großen Spaß auf der Bühne zu stehen, im Mittelpunkt zu stehen, zu erklären und jemanden an die Hand zu nehmen. Ich sauge Themen, die medizinische oder psychologische Hintergründe haben wie ein Schwamm auf. Und ich bin ein Mensch, der eher mit dem Herzen denkt und große Traumschlösser baut, als auf den Boden der Realität zu stehen. Doch was sollte mir das alles bringen? Und meine Mutter hat gesagt: „alles hat seine Zeit.“

3,5 Jahre und ein BWL Studium mit den Schwerpunkten Personal & Marketing und ein halbes Jahr in der Schweiz später war ich genau so klug wie vorher und konnte auch genau so wenig. Ich habe schon als Student in einer Firma gearbeitet, die mich für einen Vertriebsposten auserkoren hatte, obwohl ich keine Ahnung davon hatte. Aber ich konnte gut reden und mit Menschen umgehen. Also bestanden meine Tage im ersten Job daraus, morgens mit China, mittags mit Russland und abends mit den USA zu telefonieren. Außerdem aus Messen in London und Paris, ohne je einen Zipfel der Stadt gesehen zu haben. Und zwischendurch? Nichts. Meine Mutter hat wieder gesagt: „alles hat seine Zeit.“

Danach ging es am Schreibtisch weiter als Junior Manager für den Bereich Kundenbeziehungsmanagement. Ein verkacktes Probehalbjahr und ein Vorgesetzter, dem ich fast eine Kaffeetasse an den Kopf geschmissen hätte später war ich genau so schlau wie vorher. Und immer noch auf der Suche nach mir selbst. Auch die Psychologin. Und meine Mutter hat gesagt: „alles hat seine Zeit.“

Mein Lebensmittelpunkt war zu dieser Zeit meine Freundin. Twitter hat mir das große Glück beschert und daraus wurde drei wunderschöne Jahre! Aber mich gefunden hatte ich dabei immer noch nicht. Also habe ich weitergesucht und wurde nach einer Weiterbildung Kommunikationstrainer in einem kleinen Bildungsinstitut. Ich habe den Laden mehr oder weniger umgekrempelt, wurde Weiterbildungsleiter und nebenbei noch Systemadministrator. Ich habe es geliebt, Menschen eine Richtung zu geben, sie zu begleiten und bei dem zu unterstützen, was sie sich nicht zutrauen, um am Ende in strahlende Gesichter zu blicken und den Erfolg auf der Haut prickeln zu spüren. Ich habe diesen Job geliebt. Und das mit allen Höhen und Tiefen. Aber manchmal ist das Ganze dann für einen allein zuviel. Nach Monaten voller Kummer, Sorgen, Zukunftsängsten, die mich von Jahr zu Jahr und Woche zu Woche an den Boden gedrückt haben stand ich wieder mal am Anfang. Licht aus, Licht an. Manchmal hat es das Schicksal einfach auf einen abgesehen.

Ich habe mir einen Traum erfüllt und bin ein paar Tage lang alleine ans andere Ende der Welt nach Cuaraçao geflogen, habe in der Karibik tauchen gelernt, zwischen Fackeln am Strand frischen Fisch und Fleisch von Spießen gegessen, wunderbare Menschen kennengelernt, mir im Jahr darauf einen amerikanischen Straßenkreuzer aus den 80ern gekauft und begonnen ihn zu restaurieren, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung von Autos zu haben.

Das Alles ist nun ein Jahr her. Die Ängste und Sorgen im Job kamen wieder, ich konnte fast drei Jahre lang bis jetzt keine einzige Beziehung mehr führen, habe einfach keinen klaren Kopf gehabt und eine riesige Mauer in mir. Kurzum:
mein kleines Papierschiff geriet immer wieder unter Wasser und im Februar diesen Jahres wurde ich vier Wochen lang krankgeschrieben. Irgendwie habe ich das alles anscheinend gebraucht. All die Selbstzweifel, Erniedrigungen und Nackenschläge, die schlaflosen Nächte und den schwarzen Seelennebel. Ich habe zu dem zurückgefunden, was ich immer schon tun wollte, aber mich nie getraut habe, den Absprung zu wagen. Und die Entscheidung traf mich wie ein Blitz im Regen. Ich bin umgezogen, habe einen Monat im Krankenhaus auf der Neurochirurgie gearbeitet und mich für eine dreijährige Ausbildung als Krankenpfleger entschieden, die mir absolute Erfüllung gibt. Seit diesem Jahr bin ich also wieder Schüler und habe den Ballast meines Lebens, der mir so lange so schwer wie Felsen im Bauch lag über Bord geworfen. Und ich bin so glücklich und absolut sicher, wie seit vielen Jahren nicht mehr! Hätte ich doch bloß gleich am Anfang auf meinen Bauch gehört. Es wurde Zeit, dass ich endlich meine Träume in den Griff bekomme. Je kleiner die Chancen sind, desto größer der Traum.

Und irgendwann wird auf meinem Arm verewigt stehen:
„alles hat seine Zeit.“

danke, dass Ihr da seid